Das Dilemma der Strafverfolgung und seine negative Wirkung


Thorben Wengert  / pixelio.de
Thorben Wengert / pixelio.de

Verfahren können von der Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt werden. Dies dann, wenn die Schuld des Täters gering ist und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht vorliegt. Häufig wird diese Einstellungsvariante aus Praktikabilitätsgründen gewählt, nur um die Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaft und der Gerichte zu schonen. Ein Verhalten, welches nicht dazu geeignet ist, Vertrauen in den Rechtsstaat zu fassen und auch nicht dazu geeignet ist, die rechtsstaatliche Ordnung zu sichern.

 

1. Was soll der redliche Bürger davon halten, dass er - aufgehalten durch lange Schlangen an der Kasse beim Einkauf - erbarmungslos ein „Knöllchen“ an seinem Fahrzeug vorfindet, und niemand, weder der Ordnungshüter, noch das Ordnungsamt oder auch, lässt er es darauf ankommen, das Gericht bereit ist, die „Augen noch einmal zuzudrücken“ und das Verfahren einzustellen. Er muss zahlen. Dies in Kenntnis des Umstandes, dass schwere Verstöße nicht geahndet werden.

 

2. Ein Anzeigenverlag hatte eine Anzeige eines Inserenten, entgegengenommen und veröffentlicht. Dieser zahlte dann nicht. Es handelte sich um eine juristische Person in Form der GmbH. Eine Klage konnte gegen die Gesellschaft nicht mehr durchgeführt werden, da sie zwischenzeitlich im Handelsregister gelöscht. Wurde. Grund war, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgewiesen wurde. In dem Insolvenzgutachten wurde aufgezeigt, dass bereits zum Zeitpunkt der Auftragserteilung Insolvenzreife bestand. Der Verlag erstattete nunmehr gegen den Geschäftsführer der GmbH, der selbst den Auftrag für die GmbH erteilt hatte, Strafanzeige wegen Eingehungsbetruges. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt (StA Darmstadt 700 Js 10927/13).

 

2. Es ist hier dem Verlag nicht zu vermitteln, weshalb es zur Einstellung kam. Die Rechtsnorm wird zwar als solche verstanden, nicht aber, dass trotz des eindeutigen Verstoßes gegen Strafrechtsnormen (hier: § 263 StGB, im übrigen Insolvenzverschleppung) das Verfahren nicht betrieben wird. Letztlich fühlt sich der Verlag zu Recht getäuscht, da er bei Auftragserteilung von einer (zumindest zu diesem Zeitpunkt) solventen Gesellschaft ausgehen durfte. Ist es hinnehmbar, dass jedenfalls mit bedingten Vorsatz (davon ausgehend, dass Zahlung nicht geleistet werden könnte und dies billigend in Kauf nehmend) Dritte geschädigt werden ? Und: Ist nicht jedenfalls dann, wenn wie vorliegend dies bei dem Täter auch kein Einzelfall war, ein öffentliches Interesse anzunehmen ? Liegt nicht letztlich das öffentliche Interesse schon darin, dass unter Nutzung einer betragsmäßig haftungsbeschränkten Gesellschaft trotz Überschuldung und (kumulativ) Zahlungsunfähigkeit weiterhin Aufträge erteilt werden, in Kauf nehmend, dass diese nicht bezahlt werden können ? Im Strafrecht ist häufig die Rede von der generalpräventiven Wirkung (Abschreckung). Wie aber kann diese angenommen werden, besteht doch selbst bei Betrugs- und Insolvenzstraftaten die nicht nur vage Möglichkeit einer Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO. Ein solches Verhalten der Strafverfolgungsbehörden kann wohl weniger als Abschreckung denn als Aufforderung zur Straftat verstanden werden.

 

3. Und wie fühlt sich in dieser Situation der oben genannte Parksünder, der mit allen Mitteln des Rechtsstaates zur Rechenschaft gezogen wird ? Liegt ein öffentliches Interesse im Hinblick auf den Verkehrsraum oder nur deshalb vor, da es sich um Einnahmen der öffentlichen Hand handelt, die so evtl. bei dem Straftäter nicht zu erreichen wären ?