Bergwanderung


1.

Alles ist verschwommen. Nur schwer zu erkennen sind die Umrisse der Gegend. Wie Nebelschaben bei Dunkelheit hat sich alles überzogen. Ein blinken mit den Augenlidern nützt nichts.

 

Der Strahl kommt unerwartet. Gleißend das Licht. Wieder blinzeln die Augen. Aber es ändert sich nicht.

 

Was war das ? Dunkelheit. Nur Dunkelheit. Alles schwarz. War es ein Unwetter, ein Stromausfall bei Nacht ? Ich versuche meine Gedanken zu fassen. Aber ich werde nervös. Ist es ein Traum ? Ich weiß nicht wie es dazu kam, wo ich bin. Oder weiß ich wo ich bin. Ich versuche mich zu beruhigen, zu konzentrieren. Derweil blendet mich der gleißende Lichtstrahl. Ich wende mich ab - er bleibt. Ich mache die Augen dicht zu – er bleibt. Ich will meine Hände über die Augen legen. Ich versuche es. Aber wo sind sie ? Wo bleiben sie ? Ich merke, wie ich die Muskeln anspanne, wie der Körper arbeitet - oder arbeiten müsste. Aber arbeitet er, spannen sich die Muskeln tatsächlich an ? Ich schüttle mich - oder glaube ich mich zu schütteln ?

 

Was war das ? Ich weiß nicht ob ich erlebe oder nicht erlebe. Blendwirkung und Nebel. Unkenntnis über Ort und Zeit. Unkenntnis ? Konzentriere dich. Worauf ? Wo du bist. Wo bin ich ? Wie bist du hierher kommst. Wie komme ich hier her ? Es ist nur Frustration. Alles endet in der Sackgasse. Alles. Aber das gleißende Licht bleibt.

 

2.

Es war warm, etwas schwül. Das Hemd klebte mir auf dem Leib, schweißdurchtränkt. Ich blieb stehen. Schon über vier Stunden war ich unterwegs. Anfangs durch Nadelwald, dann Krüppelgehölz und seit Stunden nur noch Steine. Ich sah mich um. Strahlend blauer Himmel, gleißende Sonne. Überall Steine. Ich zog den Schlauch der im Rucksack befindlichen Wasserflasche an meinen Mund. Ein kurzer Zug. Lauwarm. Der Gipfel schien in kaum erreichbarer Ferne.

Langsam setzte ich den Weg fort. Einen Fuß vor den anderen. An sich gab es keinen Sinn, auf den Gipfel zu gehen. Was erwartete ich. Aber ich hatte es begonnen. Also setzte ich den Weg fort. Vor Einbruch der Nacht wollte ich oben sein.

 

Ich beschleunigte den Schritt. Ich wusste, vor mir lag ein Hang, den ich hochklettern musste. Bis dahin wollte ich vordringen, dann ließe sich über eine Ruhepause nachdenken.

 

3.

 

Er hatte nicht locker gelassen.

 

„Ich dachte, Sie machen gerne Bergtouren.“

„Ja schon, aber nur zu meinem Vergnügen. Ich kann mir hier keine vergnügliche Bergtour vorstellen.“

 

Er hatte gelächelt. Ob es eine Art der Verhandlung des Preises wäre. Ich hatte unwillkürlich lächeln müssen.

 

„Die Fahrt und sonstige Spesen müssen Sie ohnehin tragen, egal ob ich in der Freizeit entsprechendes mache. Und außer einem Grundhonorar ist auch ein Tageshonorar fällig. Körperliche Arbeit lasse ich mir auch bezahlen, da kommen Sie nicht herum.“

 

Er hatte gesagt, dies stelle kein Problem für ihn dar. Und er hatte einen bestätigten LBS-Scheck aus dem Jacket gezogen.

 

„Die Anzahlung. Sie machen den Vertrag. Ich werde wohl nie prüfen können, ob Sie wirklich oben waren. Aber ich vertraue Ihnen. Das wissen Sie.“

 

Das hatte ich gewusst. Schon lange war ich für ihn tätig. Er musste also meine Zuverlässigkeit kennen.

 

„Und wenn ich es nicht schaffe ?“

„Sie werden es schaffen. Es wäre mit dem … nun ja. Aber wenn Sie es wirklich nicht schaffen, gut dann habe ich wohl verloren. Ihr Honorar soll bleiben. Natürlich nicht die Erfolgsprämie.“

 

Ich hatte mich in meinem Stuhl zurückgelehnt. Natürlich, Bergtouren waren mein Hobby. Alleine allerdings nicht, das war mir zu gefährlich erschienen. Andererseits reizte natürlich auch der Berg als solcher, und dies gar noch gegen Honorar. Main tiefes Durchatmen musste er bemerkt haben, denn er hatte sich erhoben und gab nur noch ein „Dann ist es also okay“ von sich bevor er gegangen war. Meine Gedanken waren allerdings bei dem Berg verblieben. Kein unbezwingbarer Berg, aber doch anspruchsvoll. Und Hüttenübernachtungen, wie ich sie sonst hatte, waren hier auch nicht gegeben.

 

Bereits am Tag darauf hatte ich mich zu einem Tourenausrüster begeben und mir die notwendigen Utensilien beschafft. Alles leichtes Material. Nur nicht so schwer, hatte ich gedacht, es muss getragen werden. Danach hatte ich den Vertrag entworfen und ihm zugemailt. Schon nach 15 Minuten hatte er ihn mit eingescannter Unterschrift zurückgemailt, keine Diskussion um das Honorar. „Viel Erfolg“ hatte er angemerkt. Der Vertrag kam am nächsten Tag mit der Post. Ich hatte gebucht. Eine Woche später sollte es losgehen.

 

4.

 

Die Steilwand hatte ich erreicht. Ich schaute hoch. Seile und Befestigungen hatte ich nicht dabei, ich war Bergwanderer, nicht Bergsteiger. Ich schaute die Steilwand hoch. Mit vorgefertigter Befestigung und Seilen wäre es mir lieber gewesen.

 

Ich setzte mich hin. Aus dem Rucksack holte ich eine volle Flasche mit Wasser. Langsam sog ich auch dieses lauwarme Getränk ein. Ich schaute zu den Hügeln der Umgebung; außer diesen und dem Himmel und der Sonne war nichts zu sehen. Es war auch total ruhig. Lediglich das Pfeifen meines Tinitus konnte ich vernehmen, weshalb ich unwillkürlich lachen musste. Geräusche hätte ich also auf jeden Fall. Vielleicht sollte ich hier bleiben und erst am nächsten Morgen weiter ? Das Problem war der Proviant. Die Zeitberechnung sprach dagegen. Zwar hatte ich keinen Hunger; die Anstrengung führte wie üblich zur Übersäuerung des Magens. Aber ohne etwas zu essen, gehen auch die Kräfte verloren.

 

Nach einer viertel Stunde erhob ich mich spontan und begann den Aufstieg, Felspalten für Füße und Vorsprünge für Hände suchend. Vielleicht wäre es doch vernünftiger gewesen, unten vor der Wand zu bleiben und erst am nächsten Tag den Aufstieg vorzunehmen. Aber noch einmal umkehren ? Nein. Es ist nur eine Zeitfrage. Ich biss mir auf die Lippen, versuchte meine Gedanken auf andere Themen zu bringen um so mehr oder weniger automatisch diesen Aufstieg zu bewerkstelligen.

 

5.

 

Die Stimmung war großartig gewesen, richtig ausgelassen. Plötzlich hatte sich mir eine Hand von hinten auf die Schulter gelegt, etwas, was ich nicht mochte. Ich fuhr herum.  

 

„Entschuldigung.“

„Macht nichts. Ich freue mich, dass Sie doch noch gekommen sind. - Was ist los ?“

 

Er hatte einen bedrückten Eindruck gemacht, weshalb mit die Frage entfuhr. Ob ich es wirklich wissen wollte, wusste ich bereits kurze Zeit später nicht mehr. Er aber war offenbar erfreut, dass ich danach fragte.. Er hatte mich gebeten, kurz unter vier Augen mit mir sprechen zu können. Ich hatte eingewilligt und hatte unter Protest der herumstehenden Gäste den Grillplatz verlassen um mit ihm ins Haus zu gehen. Ohne dass er mich fragte oder ich ihn dazu aufgefordert hatte, setzte er sich mitten auf das Sofa, welches in der Raummitte stand. Er hatte mich dann einige Sekunden angeshen, regelrecht fixiert, ohne dass ein Wort gesagt worden wäre.

 

„Es geht um Peter.“

 

Schweigen. Ich hatte nichts dazu gesagt.

 

„Er ist wieder auf einem Berg gewesen - tot.“

 

Ich weiß noch, ich war wie vom Schlag gerührt. Seinen Partner Peter Kramer kannte ich, vielleicht besser wie ihn. Uns verband das Bergwandern, wir hatten uns häufiger ausgetauscht. Der Schreck war mir so in die Glieder gefahren, dass ich mich auf einen Sessel setzte.

 

„Ich weiß nicht wieso, aber er hatte die neuen Konstruktionspläne bei sich. Sie sind weg. Sie waren nicht bi ihm, als man ihn fand.“

„Die nimmt man doch nicht auf einer Wanderung oder Bergwanderung mit….“

„Sag ich doch. Der blöde Hund. Was der sich dabei gedacht hat. Jetzt sind sie weg. Wir sind ruiniert.“

 

6.

 

Nach über zwei Stunden hatte ich es geschafft. Ich war auf dem Plateau. Nun ging es noch etwas weiter hoch, allerdings ohne entsprechende Kletterpartien. Ich schaute mich um und bemerkte dabei, dass Wolken von Osten aufkamen. Das trübte mein Hochgefühl des Schaffens erheblich ein. Dunkle Wolken. An sich war dies nicht vom Wetterdienst vorhergesagt. Aber im Gebirge ist man nie sicher, ging es mir durch den Kopf. Ich beschleunigte meinen Schritt. Weshalb ? Wenn es ein Unwetter geben sollte, könnte ich dem - gar in diese Richtung - nicht entkommen.

 

Es kam ein Wind auf. Langsam fielen die ersten Tropfen. In der Ferne hörte man ein Rumoren. Das fehlte mir noch. Ein Gewitter. Ich ging weiter. Blitze waren zu sehen. Das Grollen näherte sich. Es fing an stärker zu regnen. Schnell entledigte ich mich meines Rucksacks, suchte meine Regenschutzkleidung heraus, zog sie an. Den Rucksack ließ ich stehen, legte in ihn alle metallischen Gegenstände, die ich trug. Dann begab ich mich ca. 40m entfernt und hockte mich hin, machte mich möglichst klein. Eine unangenehme Stellung, unbequem. Gerne würde ich jetzt auf meinem Sofa sitzen und dies in einem Fernsehfilm sehen. Es wurde merklich kühl. Der Regen prasselte nieder, als wollte er selbst auf dem Berg eine Sintflut erzeugen. Das Gewitter war ganz nah. Es muss auch vorbeigehen.

 

Die Berge gaben das Grollen der Donner mit einer Vielfalt an Kraft zurück.

 

Es dauerte nur einige Minuten. Dann war der Spuk vorüber. Die Wolken hatten sich entfernt, die Sonne kehrte zurück - als wäre nichts geschehen. Nur die Steine waren nass, sieht man von mir und meinem Rucksack ab. Aber mich hatte es nur auf dem Regenschutz getroffen, und der Rucksack war, wie eine Kontrolle ergab, jedenfalls jetzt noch wasserdicht. Den Regenüberzug zog ich aus, nahm den Rucksack auf und hängte die Regenschutzbekleidung zum Trocknen an die Bügel. So ging ich weiter. Das Plateau war zu Ende, wieder ging es hoch, nun zum Gipfel. Der Aufstieg war - relativ – seicht.

 

7.

 

Freudig erregt war Peter Kramer in mein Büro gekommen. Er hatte regelrecht meine Sekretärin, die ihn anmelden wollte, zu Seite geschoben und platzte sofort heraus mit der Äußerung:

 

„Ich habe es geschafft!“

 

Nun gehöre ich nicht zu den Menschen, die immer gleich in Enthusiasmus fallen. Nicht alles, dass ich ihm etwas über ein gehöriges Benimm erklärt hätte. Aber ich hatte ihn gekannt. Er lebte immer wie er war: Gerade heraus. Er hatte auch nicht auf meine kühle Reaktion geachtet. Ohne weiteres setzte er sich auf den Stuhl vor meinen Schreibtisch.

 

„Mit dieser Erfindung machen wir Millionen, Aber-Millionen und mehr.“

„Schön.“

„Ein bisschen mehr hätte ich erwartet. Sie vertreten uns. Sie verdienen doch mit.“

„Noch schöner.“

„Immerhin.“

 

Und ohne abzuwarten, ob ich für ein Gespräch mit ihm die Zeit (gar Geduld) hätte, hatte er losgelegt und mir den Inhalt seiner Erfindung mitgeteilt. Euphorisch hatte er die Möglichkeiten beschrieben, die sich dafür für die von ihm und seinem Partner betriebene Gesellschaft ergäben.

 

„Das Patent würde ich dann umgehend anmelden.“

 

Er hatte genickt. Leicht hatte er sich zu mir am Schreibtisch vorgebeugt und seine Stimme wurde leise.

 

„Aber ich habe eine Reise vor. Zunächst die. Es geht auf einen Berg. Das verstehen Sie doch, oder ? Und dann, wenn ich wiederkomme, geht es los.“

 

Er hatte mich noch beauftragt, Patentanwälte auszusuchen und alles vorzubereiten, da er wollte, dass alles noch in diesem Jahr geschieht; die Umsetzung sollte auch noch in dem laufenden jahr erfolgen.

 

8.

 

Die Sonne ging regelrecht malerisch am Horizont unter, als ich den Gipfel endlich erreicht hatte. Zu anderer Gelegenheit wäre dies sicherlich ein für mich erhabenes Bild gewesen und ein krönender Abschluss einer Tages-Bergwanderung. Jetzt ärgerte ich mich. Außer dem Gipfelkreuz konnte ich hier nichts sehen. Meine Nachforschung musste ich also wohl auf den nächsten Tag verschieben.

 

Ich holte aus meinem Rucksack die Übernachtungsutensilien heraus, insbesondere das warmhaltende Überlebenstuch. Dann schaute ich mir doch den Sonnenuntergang an, direkt hintr dem Gipfelkreuz. Während ich sinnierte fiel mir ein Block am Gipfelkreuz auf. Häufig befinden sich dort „Gästebücher“. Neugierig ging ich hin. Tatsächlich, der Block war ein Kästchen, in dem sich das Gipfelbuch befand. Wenn ich schon einmal da war, dachte ich, könnte ich mich auch eintragen. Warum ? Ich weiß es nicht; datenschutzrechtliche Bedenken jedenfalls kamen mir nicht. Ich nahm das Buch und einen im Kasten liegenden Stift heraus und notierte meine Anwesenheit. Gerade als ich es weglegen wollte fiel mir ein, einmal nach zu schauen, on sich Peter Kramer auch eingetragen hat. Ich musste nur eine Seite vorblättern, da war ein von ihm mit „P.K.“ abgezeichnet Eintrag. Der Inhalt war aber ob der Örtlichkeit ungewöhnlich:

 

„Tolles Wetter. Gut hergekommen. Keine Probleme. Schöne Ruhe. Himmlisch. Mich wundert nur, dass die drei Kameraden, die immer etwas hinter mir waren, nicht auch schon hier sind. Wenn sie nach mir kommen: Ich grüße sie.“

 

Welche drei Kameraden ? Ich schaute mir die Einträge nach Peter Kramer und mir an. Es waren nur zwei Einträge. Der eine Eintrag war vier Tage später von einem Wanderer, der andere vor drei Tagen von zwei Wanderern. Nie drei. Kameraden ? Kamerad ist letztlich jeder, der in diesen Regionen unterwegs ist.

 

Am nächsten Morgen schaute ich mir den Gipfel genauer an. Eventuell soll er hier etwas liegen gelassen haben ? Dann hätten es doch die zwei anderen Wanderer (oder die „drei Kameraden“) längst gefunden. Und womöglich mitgenommen. Oder die Blätter wären vom Wind verweht. Ob meiner Naivität, hier etwas zu finden, musste ich selber lächeln. Nachdem ich en Gipfel abgegangen war, setzte ich mich, um zunächst vor dem Abstieg zu frühstücken. Dauerbrot mit Käse. Ich schaute mir die Umgebung an. Alles Steine. Und Himmel. Ja, natürlich auch die Sonne. Durch den Blick zur Sonne wurde ich geblendet, kniff die Augenzusammen und schaute zum Boden vom Kreuz. Dort war ein kleiner Ast. Seltsam, in dieser Höhe wachsen keine Bäume; wie kommt dann ein Ast hierher ?

 

Nachdem ich einige Zeit sinnierte entschied ich mich, mir den Ast anzusehen. Er war zwischen den Steinen und ragte mit zwei Zentimetern nach oben. Mit fiel ein, dass Peter Kramer mir einmal bei unseren Gesprächen erklärte, wie er verfährt, wenn er etwas nicht auf dem ganzen Weg mitnehmen will:

 

„Sie müssen nur einen Ort suchen, der natürlich aussieht. Steine auf Steine, wenn nicht ein auffälliger Hügel entsteht, merkt niemand. Also muss man alles wegräumen, die Sachen hinlegen, die Steine gleichmäßig verteilen, überschüssige Steine wegwerfen. Um die Stelle zu finden, habe ich immer kleine Ästchen im Gepäck, di ich dorthin stecke, damit ich selbst meine Sachen schnell finde. Allenfalls wird mein Stöckchen entfernt - und dann suche ich.“

 

Ich nahm das Stöckchen heraus und entfernte die Steine. Dort lag ein wasserdichter Umschlag. Ich öffnete ihn. In ihm waren die Pläne. Ziel erreicht.

 

Mir wurde mulmig. Weshalb hatte er am Gipfel die Unterlagen zurückgelassen ? Hätte er sie auf dem Weg zum Gipfel entsprechend deponiert, wäre dies doch eher verständlich gewesen. Er wollte doch zurück und dann schnell die Registrierung und Verwirklichung vornehmen.

 

9.

 

Sie hatten mich beauftragt einen Gesellschaftsvertrag zu formulieren. Natürlich wollte ich wissen, welche Klauseln bezüglich u.a. Tot eines Gesellschafters aufgenommen werden. Für Peter Kramer war es klar, dass die Erben eintreten. Seine Kollege war damit nicht einverstanden. Er wandte an sich vernünftig ein, dass es sich bei ihnen um aktive Gesellschafter handelt, während es sich bei den Erben nur um Shareholder handeln würde. Ich hatte seinem Kollegen Recht geben müssen. Damit mussten also die Gesellschaftsanteile auf den verbleibenden Gesellschafter gegen Abfindung übergehen. In Betracht kamen eine Abfindung nach Buchwert und eine Abfindung nah tatsächlichem Wert. Der Kollege plädierte für eine Abfindung - ratierlich - nach Buchwert, da ansonsten möglicherweise die Gesellschaft das nicht verkraften könne. Peter Kramer hatte nachgegeben.

 

10.

 

Der Rückweg war an sich nicht beschwerlich gewesen. Nur in den Knien hatte ich es gespürt. Und die Steilwand war sicherlich leichter nach oben hin zu begehen als nach unten. Nachdem ich die Steilwand passierte und über das Plateau ging, kam mit ein Wanderer entgegen, der sich erkundigte, wie der weitere Weg sei. Ich gab ihm Auskunft. Nachdem er von der Steilwand ohne vorgegebene Absicherung hörte, schüttelte er den Kopf. Dass wären keine Wege für ihn. Er würde dann doch umdrehen und mit mir ins Tal gehen.

 

Auf dem weiteren Weg fragte mich der Wanderer, ob man auf solchen Gipfeln auch Schätze finden könne oder ich einen solchen gefunden habe. Ich schaute ihn nur verwundert an. Er erklärte sich dahin, dass es doch einen Grund geben müsse für solche Besteigungen. Ich erklärte ihm, dass es um die Natur ginge, um das Spektakel zwischen Welt und All, den dort zu erlebenden Zusammenprall, wenn die Sonne untergeht. Er schaute mich nur verwundert an.

 

Wir kamen in die Region der verkrüppelten kleinen Kiefern und mussten hier an einer steilen Schlucht entlang. Es war jene Schlucht, in die Pater Kramer Stürzte. Mein Begleiter blieb plötzlich stehen. Er bückte sich, um seinen Schuhsenkel neu zu schnüren. Ich schaute in die Schlucht. Als ich wieder zu ihm hinschaute, hatte er eine Waffe in der Hand.

 

„Gib die Pläne.“

 

Ich war völlig überrascht.

 

„Ich habe keine. Hier, nimm meinen Rucksack und schau nach.“

 

Hinter einem hohen Stein kamen zwei weitere Männer hervor. Sie gingen auf mich zu - und ich mich versah, rissen sie mir den Rucksack von den Schultern und stießen mich in die Schlucht.

 

11.

 

Da sind Stimmen. Nur verstehe ich nicht, was sie sagen. Ich versuche mich zu konzentrieren. Dann höre ich eine Stimme überdeutlich:

 

„Das ist nicht sein Wille an Geräten zu hängen. Er ist tot. Lassen wir ihn in Frieden.“

 

Das war die Stimme von ihm. Wo bin ich ? Weshalb ist er hier ? Und. Wenn ich an Geräten hänge, will ich es, denn dann lebe ich ja noch. Eine mir fremde Stimme höre ich.

 

„Schalten wir ab und lassen ihn in Ruhe entschlafen.“

 

Sie wollen mich umbringen. Ich schreie, will schreien oder glaube zu schreien:

 

„Mörder !“

 

Ruhe. Ich höre nichts mehr. Haben sie abgeschaltet ? Bin ich jetzt tot ?

 

Ich kann aus eigener Einschätzung nicht sagen, wie lange ich nun in diesem Zustand verharre. Dann aber zeigen sich vor mir leicht schemenhaft Bilder. Eine Frau. Möglicherweise Krankenschwester beugt sich über mich. Gleich verschwindet sie wieder und ich sehe in ein über mich befindliches großes Licht. Nach kurzer Zeit sind einige Personen um mich herum, reden nach meiner Meinung völlig durcheinander. Ich verliere das Bewusstsein.

 

12.

 

Der Kommissar macht mir klar, dass ich nach Angaben eines zeugen meinen Rucksack abgelegt hätte und danach das Gleichgewicht verloren habe und in den Abgrund gestürzt sei. Nur ein glücklicher Umstand sei es gewesen, dass unten im Tal eine Einheit der Bergwacht gewesen sei, die den Absturz (just an der Stelle, an der kurz zuvor auch ein Peter Kramer abgestürzt sei) mitbekommen habe und mich sofort im Krankenhaus eingeliefert habe. Ansonsten wäre ich aufgrund der inneren Verletzungen wie jener Peter Kramer verstorben.

 

Als ich dem Kommissar meine Geschichte erzähle, weshalb ich hoch gegangen wäre und was mir auf dem Rückweg passiert wäre, lacht er. Er macht mir klar, dass er dies für eine Phantasterei ausfgrund des Absturzes ansähe. Die drei Personen, die die Bergwacht auch gesehen habe, hätten versucht nach mir zu fahnden, d.h. zu mir zu kommen.

 

Ich frage den Kommissar, ob er auch bergwandert, was er verwundert bejaht. Daraufhin schlage ich ihn vor, dass wir gemeinsam hoch gehen und ich ihm den Beweis liefere. Er wird ernst, willigt aber ein.

 

Zwei Wochen später gehen wir hoch. Der Stock steckt nicht mehr, kann auch nicht, da ich ich entfernt hatte. Aber ich habe mir die Stelle gemerkt. Ich entferne die Steine - und hole die Pläne mit ihrer Hülle heraus. Er schaut mich an.

 

„Wieso haben Sie die nicht auftragsgemäß mit runter genommen ?“

 

Ich gehe zum „Gästebuch“ und zeige ihm den Eintrag von Peter Kramer.

 

„Hatte ich vergessen zu sagen.“ Ich lächelte. „Aber das hat mich stutzig gemacht. Auch der Umstand, dass Peter Kramer die Unterlagen mit nach oben auf den Berg genommen hat. Er muss eine Vorahnung gehabt haben, dass sein Partner das Geschäft alleine machen will.“

 

13.

 

Die drei Wanderer wurden wegen gemeinschaftlichen Mordes an Peter Kramer verurteilt. Der Kompagnon von Pater Kramer wurde wegen Anstiftung zum Mord verurteilt. Die Erben von Peter Kramer haben das Patent wahren lassen und die Gesellschaft floriert. Ich berate sie weiterhin. Aber meine Lust auf Bergwandern hat doch abgenommen….