Gesetze und Rechtsprechung contra Rechtsstaat


Ehrlichkeit ist heute wohl eher die Ausnahme als die Regel. Denn mit Ehrlichkeit könnte man Positionen (Rechtspositionen) verlieren.  Sei es der Streit von Eheleuten, die eine (tatsächlich ?) Liebesheirat vollzogen, der Liebe aber erkaltete und auf die Frage des finanziellen Ausgleichs dafür absackte, sei es der Verkehrsunfall, bei dem sich beide Beteiligten völlig korrekt verhielten (wonach es allerdings nie zum Verkehrsunfall gekommen wäre) oder der Streit im geschäftlichen Bereich über den tatsächlichen Inhalt von Vereinbarungen pp.


Die Jurisprudenz ermöglicht dies durch das Gebot der Beweislast. Grundsätzlich muss derjenige, der eine Behauptung aufstellt, diese beweisen. Anders die Religionen. Sie allerdings fußen auf dem Fundament der Ehrlichkeit, sind teilweise diktiert von Vorverurteilungen durch Ungleichbehandlungen von Mann und Frau.  Und selbst in diesen Fällen der Ehrlichkeit sehen einige Religionen (so der Islam) eine Strafe für denjenigen vor, der wirklich unschuldig ist, so der Frau bei einer Vergewaltigung.


Mithin ist der Rechtsstaat als Gottesstaat sicherlich nicht gut aufgehoben. Aber auch ansonsten hat er ein erhebliches natürliches Defizit, da es die vom Richter zu erkennende absolute Wahrheit als solche nicht gibt. Häufig hängt der Ausgang des Rechtsstreits vom Vermögen (oder auch Unvermögen) des Anwalts ab, den Prozess schriftsätzlich und durch Befragen von Zeugen und Sachverständigen zu begleiten.  Aber auch von der Kenntnis (Unkenntnis) des zur Entscheidung berufenen Richters.


Recht heißt mithin nicht richtig. Es ist eine einfache Entscheidung, die, wenn nicht mehr angreifbar, ebe hinzunehmen ist. Derjenige, der verliert und weiß, dass objektiv die Entscheidung falsch ist, wird notwendig den Rechtsstaat als solchen in Zweifel ziehen. Er ist auch in Zweifel zu ziehen. Dies belegt das oberste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH) häufig selbst, wenn er gar expressis verbis Entscheidungen einleitend damit begründet, dass er seine bisherige Rechtsprechung zu einer bestimmten Rechtsfrage aufgibt. Denn damit bestätigt er, dass es kein absolutes Recht gibt. Er bestätigt, dass derjenige, der sich an den Gesetzeswortlaut in der Auslegung der obergerichtlichen Rechtsprechung (also des BGH) hält, nicht notwendig bei einem Rechtsstreit auch Recht bekommt.


Damit aber verkommt Recht zur Willkürlichkeit. Statt einfacher Rechtssätze, die einprägsam und in der Sache verständlich und nachvollziehbar sind (vgl die zehn Gebote), werden bereits vom Gesetzgeber Gesetze geschaffen, die mehr als nur interpretationswürdig sind. Wenn dann aber die von dem BGH  getroffene Interpretation faktisch über den Haufen geworfen wird, bleibt nichts. Nur Unverständnis.  Zu Recht.


Ein wirklicher Rechtsstaat lebt von verständlichen, nachvollziehbaren Gesetzen und einer darauf beruhenden Rechtsprechung. Es mag noch hinnehmbar sein, dass bei Streit über Gespräche oder Geschehensabläufe das Gericht der einen oder anderen Seite auf Grund bestimmter Umstände mehr Glauben schenkt oder über die Beweislast entscheidet. Wenn aber das Gesetz frei interpretiert wird, hier Änderungen erfolgen, Gerichte unterschiedlich entscheiden, ist dies nicht mehr mit dem Rechtsstaatsgedanken zu vereinbaren.


Friedrich der Gr. hatte, persönlich betroffen, das Allgemeine Preußische Landrecht (ALR) eingeführt, mit dem er die Juristen ob einer freien Auslegung gängeln wollte. Es war der Versuch, alles klar zu definieren, damit der Jurist keine Interpretationsmöglichkeit mehr hat. Heute schaffen wir ständig neue Gesetze, die abstrakte Sätze enthalten, die sich nicht einmal aus den Gesetzesmaterialien entschlüsseln oder eingrenzen lassen. Der Bürger weiß häufig nicht einmal, dass er sich in einem bereits gesetzlich geregelten Bereich bewegt, noch könnte er aus den Gesetzen  selbst entnehmen, was nun von ihm gefordert wird. Er ist auf den )von Friedrich d. Gr. verhassten) Juristen angewiesen, von seinem Können. Aber selbst dieser kann nicht mit Sicherheit eine Entscheidung voraussagen. Selbst wenn er die gesamte, auch obergerichtliche Rechtsprechung beachtet, kann er nicht wissen, ob dieser Fall zur Änderung der bisherigen Rechtsprechung führt.


Was bleibt ist das Unverständnis in einem Rechtsstaat. Es ist die Annahme einer Willkürentscheidung eines Unrechtsstaates.


Statt immer neue Gesetze zu schaffen, die sich als lex specialis gegenüber den allgemeinen Gesetzen darstellen und denen insoweit vorgehen, statt für den Bürger unverständliche Regelungen zu deklarieren, wäre es geboten, einheitliche Gesetze zu schaffen, in denen eventuelle Ausnahmetatbestände bereits enthalten sind. Ein wirklicher Rechtsstaat muss dem Bürger die Möglichkeit geben, auf einfache Art das zu erkennen, was er beachten muss. Damit verbietet sich auch eine „Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung“ durch den BGH, denn entweder ist eine bestimmte Regelung in der vom BGH benannten Art auszulegen oder nicht.

Wir sind damit noch weit von einem Rechtsstaat entfernt, Nicht nur die Problematik der Wahrheitsfindung ist letztlich nicht lösbar, auch die Rechtsordnung als solche bietet keine Rechtssicherheit für den Bürgern dem es  -  jedenfalls ohne juristischen Beistand -  nicht mehr möglich ist zu erkennen, wie eventuell die Rechtslage gestaltet ist. Die zu beachtenden Normen müssen aus sich heraus klar sein und für jeden ohne weiteres einsehbar sein, ohne hier auf diverse Spezialgesetze zurückgreifen zu  müssen.